Wie wertvoll die Unterstützung von Kooperationspartnern sein kann, erfuhr Martin Holl in seiner wohl schwärzesten Stunde als Unternehmer: Anfang Juli dieses Jahres brannte sein Firmengebäude nieder. „Da ist alles abgefackelt, 34 Jahre Firmengeschichte meines Vaters vernichtet“, erzählt er.
Trotz des Totalverlusts – und obwohl sich die Klärung mit der Versicherung wohl noch Jahre hinziehen wird – seien er und seine Co-Geschäftsführer mit einem blauen Auge davongekommen, sagt Holl. Und zwar auch deshalb, weil Unternehmen aus der Region zusammen mit Holls Kooperationspartnern eine riesige Spendenliste gestartet hätten. „Wir mussten sie zwar nicht nutzen, hätten aber alle Materialien, sogar Firmenautos über unsere Partner bekommen. Das Gefühl, so viel Unterstützung zu bekommen, war genial.“
Eine Plattform für Handwerksbetriebe

Die Kooperationspartner – das sind Handwerksbetriebe aus ganz Deutschland, die über die Plattform Check and Work vernetzt sind. Martin Holl, sein Zwillingsbruder Markus und Freund und Geschäftspartner Marcel Jäger haben die Plattform 2019 selbst gegründet.
Abzusehen war das lange nicht, alles sah nach klassischer Laufbahn im Handwerk aus. Martin und Bruder Markus sind mit dem Elektrobetrieb ihres Vaters aufgewachsen, schon mit zwölf Jahren half Martin dem Vater auf Baustellen. Er wisse nicht, ob das rechtlich in Ordnung gewesen sei. „Aber es hat mich mega interessiert“, so Holl. Nach abgeschlossener Elektronikerlehre studierte er Wirtschaftsingenieurwesen, der Bruder machte eine Lehre im Familienbetrieb. Nach einem Abstecher in die Industrie beschloss Martin Holl, mit dem Bruder und Freund Marcel Jäger den väterlichen Betrieb auszubauen.
Fachkräftemangel als Kooperations-Anlass
Doch es kommt anders: Die Wachstumspläne scheiterten daran, dass sie – wie viele Handwerksbetriebe – keine neuen Mitarbeiter fanden. Ein Plan B musste her. Doch im Fachkräftemangel sahen die Freunde auch eine Chance: Wenn allen Personal fehlt, liegt es nahe, sich gegenseitig zu unterstützen. Für Holls Vater ein abwegiger Gedanke: Er komme aus einer Handwerksgeneration, in der man sich „eher die Augen aussteche, als zusammenzuarbeiten“, sagt Martin Holl. Die älteren Betriebe würden sich gegenseitig mit Dumpingpreisen unterbieten, sich das Geschäft kaputtmachen.
So war der Vater anfangs der größte Kritiker. Doch gerade das sei wertvoll gewesen, sagt der Sohn. „Weil wir dadurch wussten, wie wir in Gesprächen mit älteren Handwerkern vorgehen konnten.“ Die Freunde gründeten die Kooperationsplattform Check and Work.
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Kooperieren statt Konkurrieren
Das Prinzip von Check and Work: Deutschlandweit können sich Handwerksbetriebe auf der Plattform registrieren und nach einem Qualitätscheck in ihrer Region Partner für Aufträge oder Leiharbeiter über Zeitarbeitsfirmen suchen. Auch der eigene Elektrobetrieb soll davon profitieren. „Kooperieren statt konkurrieren“, lautet das Motto von Check and Work. „Das ist ein bisschen wie Parship“, sagt Martin Holl. „Wir bieten die Möglichkeit, Firmen zusammenzuführen, stellen ein Match her. Ob was draus wird, liegt dann an denen.“
Zunächst als Nebenprojekt gestartet, bekommt die Plattform bald viel Aufmerksamkeit: Zeitungen berichten darüber, Martin Holl hält deutschlandweit Vorträge. Bald wird Check and Work zur Hauptbeschäftigung: Sieben Köpfe arbeiten mittlerweile hauptberuflich für die Plattform. Martin Holl und Freund Marcel haben sich aus dem Elektrobetrieb zurückgezogen, Markus Holl arbeitet für beide Firmen. Das Netzwerk zählt mittlerweile 1300 Mitglieder, seit zwei Jahren ist Check and Work eine eigenständige Firma – die laut Martin Holl viel mehr Umsatz bringt, als es der kleine Elektrobetrieb jemals geschafft hätte.
Siebenstelliger Umsatz
Das Geld fließt allerdings nicht über die Kooperationsplattform, die ist für die Mitglieder kostenlos. Es ist das zweite Standbein der drei Freunde, das „einen schönen siebenstelligen Umsatzbereich und gute schwarze Zahlen“ einbringt, wie Holl sagt.
Dieses Standbein ist das Projektgeschäft: Check and Work nimmt bundesweit Großaufträge an und koordiniert sie als zentraler Ansprechpartner. So haben sie etwa die zeitgleiche WLAN-Ausstattung von 69 Filialen der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH abgewickelt – Check and Work übernahm die Planung, Dokumentation und Gespräche mit dem Kunden. Die Arbeit in den Filialen verrichteten Partner aus dem Netzwerk vor Ort.
Manchmal kommt es auch zu ungewöhnlichen Aufträgen: Im September 2021 meldete sich Carmen Geiss, Protagonistin der RTL2-Sendung „Die Geissens“, über Instagram bei Holl. Sie suchte einen zuverlässigen Ansprechpartner für Umbauarbeiten. „Eine Woche später standen wir mit einem Kamerateam auf der Dachterrasse der Geissens in Monaco. Da haben wir einiges erlebt“, sagt Holl grinsend.