(Stuttgart) Einige Betriebe dürfen nach den Abstimmungen von Bund und Ländern wieder öffnen. Zeitgleich dazu erhöht das Bundesarbeitsministerium aber die Vorgaben an den Arbeitsschutz. Masken, Desinfektionsmittel & Co. müssen vom Arbeitgeber dazu gestellt werden.

 

Einen Überblick über die Neuregelungen gibt der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

Arbeitnehmerschutz verpflichtet zum Tätigwerden

Arbeitgeber sind aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Hierbei müssen sie die aktuellen Umstände berücksichtigen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen (§ 3 ArbSChG). Welche Maßnahmen dies im Einzelnen sind, schreibt das Gesetz Arbeitgebern aber nicht vor.

Um hier in der aktuellen Situation konkrete Vorgaben zu schaffen, hat die Bundesregierung am 16.4.2020 in Abstimmung mit den Trägern der Gesetzlichen Unfallversicherung eine Richtlinie erlassen, die konkrete Vorgaben für Unternehmen enthält.

Betriebliche Gefährdungsbeurteilung

„Nach § 5 ArbSchG haben Arbeitgeber auch schon bislang eine Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze vorzunehmen“, so Fuhlrott. „Natürlich wird der Arbeitgeber bei dieser Beurteilung die aktuelle gesundheitliche Situation in Deutschland zu beachten haben“. Insoweit mussten auch bislang schon in Betrieben, bei denen weitergearbeitet wurde, durch den Arbeitgeber darauf geachtet werden, dass Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Im Einzelfall müssen sich Arbeitgeber dazu mit den Betriebsärzten und den Fachkräften für Arbeitssicherheit abstimmen. Auch entsprechende behördliche Kontrollen sind möglich.

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard

Ändert sich die Gefahrenlage, ist die Gefährdungsbeurteilungen anzupassen. „Hierbei sind nunmehr auch die Hinweise nach dem neuen Arbeitsschutzstandard zu beachten“, so Fuhlrott. Danach soll der weiterhin vorhandenen Ansteckungsgefahr Rechnung getragen werden und sollen auch im betrieblichen Bereich wirksame Schutzmaßnahmen getroffen werden. Nach dem neuen Arbeitsschutzstandard gelten hierbei zwei Grundsätze:

  • Kann der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden, so sollen arbeitgeberseitig Mund-Nasen-Bedeckungen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt und getragen werden.
  • Beschäftigte mit ungeklärten Atemwegssymptomen oder Fieber sollen sich nicht auf dem Betriebsgelände aufhalten.

Einzelne Maßnahmen zum Gesundheitsschutz

Arbeitgeber sollen nach dem Papier insbesondere darauf achten, dass die Arbeitnehmer ausreichenden Abstand – mindestens 1,5 Meter – zu anderen Personen halten. Wo dies nicht möglich ist, sollen alternative Schutzmaßnahmen getroffen werden. Als Beispiele werden dazu Abtrennungen genannt.

Als weitere technische Maßnahmen werden aufgezählt:

  • Regelmäßige Reinigung von Türklinken und Handläufe
  • Vermeidung von Schlangenbildungen auch in Pausenräumen und Kantinen, z.B. durch Erweiterung der Essenszeiten oder – als letzte Maßnahme, wenn dies nicht vermeidbar ist – durch Schließung von Kantinen
  • Regelmäßiges Lüften von Räumen
  • Bildung von festen Arbeitsteams, um häufigen personellen Wechsel in der Belegschaft zu vermeiden
  • Weitere Nutzung des HomeOffice für Büroarbeiten
  • Reduzierung von Dienstreisen und Meetings

Als organisatorische Maßnahmen werden vorgeschlagen:

  • Markierung von Schutzabständen z.B. durch Klebeband auf dem Fußboden
  • Kann der Mindestabstand nicht eingehalten werden, sind alternative Maßnahmen wie das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen zu treffen. Diese sind vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.
  • Versetzte Arbeits- und Pausenzeiten
  • Schichtende und Schichtneubeginn so gestalten, dass ein Zusammentreffen von vielen Menschen vermieden wird
  • Beschränkung des Zutritts Betriebsfremder auf ein Minimum und Erfassung von deren Kontaktdaten
  • Schaffung einer kontaktlosen Fiebermessung bei Verdachtsfällen
  • Sofortige Freistellung von Mitarbeitern mit Krankheitssymptomen bis zu einer ärztlichen Abklärung
  • Beachtung von Husten- und Niesetikette

Folgen für Unternehmen und Arbeitnehmer

„Die meisten Arbeitgeber haben bereits bislang entsprechende Schutzmaßnahmen für die Belegschaft getroffen“, meint Fuhlrott. „Daher werden die Regelungen für viele Betriebe eine Hilfestellung geben, die bestehenden Maßnahmen anzupassen“. Arbeitgeber müssen ebenfalls aktiv werden und Schutzmasken für ihre Mitarbeiter beschaffen – jedenfalls dann, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten“, so Fuhlrott. „Trifft der Arbeitgeber entsprechende Schutzmaßnahmen, muss der Arbeitnehmer seine Tätigkeit auch ausüben. Er darf also nicht unter Berufung auf die Angst vor Ansteckung zuhause bleiben. Tut er dies gleichwohl, droht eine fristlose Kündigung“, so der Arbeitsrechtler. „Ausnahmen mag es für Arbeitnehmer mit einschlägigen Vorerkrankungen geben. Wenn diese ein Attest vorlegen und auch der Betriebsrat eine Infektion als folgenschwer einschätzt, werden diese Mitarbeiter weiterhin zuhause bleiben dürfen. Sie erhalten dann allerdings auch keinen Lohn“, so Fuhlrott.

Das Dokument ist im Wortlaut abrufbar unter:

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Fuhlrott empfiehlt Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei Unklarheiten zum zulässigem Arbeitsschutzstandard Rechtsrat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verweist.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Michael Fuhlrott
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Fachanwalt für Arbeitsrecht

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