(Stuttgart) In Italien ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, die die Rechtssituation für den Fall klären sollte, in dem ein Arbeitnehmer ohne Begründung der Arbeit fernbleibt. Dass dieser Fall häufiger vorkam, dafür sorgte eine ungünstige gesetzliche Konstellation seit dem Jahr 2011. (Oder: Eine ungünstige gesetzliche Konstellation sorgte in einem solchen Fall für Probleme).
Der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Mario Prudentino, Mitglied im VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V., spezialisiert auf das italienische Arbeitsrecht, erläutert die Rechtslage.
- Keine selbstbestimmte Eigenkündigung möglich
Wer glaubt, man könne als Arbeitnehmer einfach so seinen Arbeitsplatz kündigen, kennt Italien nicht. Das Gesetz 92/2011 hatte im Jahr 2011 die Pflicht für alle Arbeitnehmer eingeführt, eine Eigenkündigung durch die Gewerkschaften „konvalidieren“ zu lassen, um zu verhindern, dass sich dahinter möglicherweise eine Eigenkündigung unter Zwang versteckte.
- Keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Konvalidierung
Das Problem: blieb ein Arbeitnehmer der Arbeit einfach fern, konnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht beenden. Sie lesen richtig. Wenn man noch bedenkt, dass Gehaltsansprüche in Italien praktisch nicht verjähren, dann kann man ungefähr das Ausmaß des Schreckens erahnen. Denn die „Pflicht“ zur Konvalidierung traf zwar die Arbeitnehmer, den Schaden beim Ausbleiben musste aber der Arbeitgeber tragen.
- Geht es noch komplizierter? Ja, es geht.
In den Jahren 2012 und 2015 kamen weitere Probleme auf die Arbeitgeber zu: die erstmalige Einführung von Arbeitslosengeld unterschied nicht zwischen der arbeitnehmerseitig verschuldeten und der nicht verschuldeten Kündigung. Das bedeutete: nicht wenige Arbeitnehmer blieben der Arbeit fern und zwangen den Arbeitgeber dann zur fristlosen Kündigung. Dieses Vorgehen verursachte beim Arbeitgeber noch zusätzliche Kosten: denn wenn der Arbeitgeber kündigt, muss er in Italien ein zusätzliches „Ticket“ von bis zu 1922 Euro an das Arbeitsamt zahlen.
- Alles wieder gut?
Das neue Gesetz 203/2024, das keinen Stein auf dem anderen gelassen hat (Probezeit, befristete Verträge, Arbeitnehmerüberlassung, „Fernschiedsgerichte“, gemischte Verträge, beitragsfreie Arbeitsverhältnisse usw. usf.), hat eine Änderung eingeführt, die eigentlich alle Probleme lösen sollte: bleibt ein Arbeitnehmer 15 Tage der Arbeit fern, kann der Arbeitgeber ihn wegen „faktischer Eigenkündigung“ bei der Arbeitsagentur abmelden, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestätigt. Hier entsteht ein italientypisches Problem: anstatt ein Rechtsproblem endgültig zu lösen, werden alternative Wege geschaffen, die letztlich nicht so wirklich weiterhelfen, denn: Sehen einzelne Tarifverträge ein anderes Vorgehen vor, so haben diese Vorrang; Der Arbeitgeber kann weiterhin das immer einzuhaltende Disziplinarverfahren einleiten und dann fristlos kündigen; Das neue Verfahren präjudiziert nicht die fristlose Kündigung, die parallel angegriffen werden kann; Die Tatsache, dass ich das neue Verfahren beim Arbeitsamt einleite, verhindert nicht, dass Arbeitgeber kündigungsschutzrechtlich Fehler begehen; Schließlich: Verweigert das Amt die Zustimmung, ist der Arbeitgeber mit der verhaltensbedingten Kündigung eventuell verspätet. Das letzte klärende Rundschreiben des Arbeitsministeriums vom 10. April 2025 hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.
- Fazit: keine Klarheit
Wenn nach einer Gesetzesveröffentlichung zunächst die „klarstellenden“ Rundschreiben des Ministeriums abgewartet werden müssen, um ein Gesetz zu verstehen, und diese dann noch nicht einmal überzeugen, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht (abseits der Unverbindlichkeit solcher Rundschreiben für die dritte Gewalt). Für Arbeitgeber gilt jedenfalls, nicht nur das Disziplinarverfahren nach „Art. 7“ zu beherrschen, sondern jetzt auch noch das Verfahren nach „Art. 28“. Welches Verfahren sollte wann durchgeführt werden? Warten wir die Rechtsprechung ab, diese hat sich noch nicht zu dem frisch veröffentlichten Gesetz geäußert.
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